Ratsgymnasium feiert Schulpartnerschaften mit der EU-Hymne in sechs Sprachen „Freude, schöner Götterfunken“ auf Deutsch, Englisch, Französisch, Niederländisch, Polnisch und Finnisch von 1000 Schülern gesungen – das hat Osnabrücks Markt vorher wohl noch nie erlebt. Anlass war das Jubiläum internationaler Schulpartnerschaften des Ratsgymnasiums.
Osnabrück 50 Jahre Schüleraustausch mit der Royal Grammar School High Wycombe in England, 40 Jahre mit dem Lycée St. Martin in Angers, Frankreich, 10 Jahre mit Kontiolahti Koulu, Finnland, 10 Jahre mit der Pipers Corner School High Wycombe, England, und 8 Jahre mit dem Niftarlake-College in Maarssen, Niederlande – ergibt zusammen 118 Jahre gelebter Partnerschaften mit fünf Schulen jenseits der nationalen Grenzen.
Um das halbe Dutzend voll zu machen, setzten die Schulleiter des Ratsgymnasiums, Lothar Wehleit, und des Lyzeum Nowodworek in Krakau, Jacek Kaczor, ihre Unterschriften unter eine weitere Partnerschaftsurkunde. Damit ist das bereits vor Jahren als „Europaschule“ ausgezeichnete Ratsgymnasium nun auch mit einer Schule im östlichen Nachbarland Polen verbunden.
Für Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) waren die Jubiläen ein Anlass, nach Osnabrück zu kommen und zu gratulieren. Der Festakt fand im Friedenssaal statt – ein passenderer Ort für die Feier des Ratsgymnasiums als der historischen „Schule des Rates der Stadt“ war kaum denkbar.
Oberbürgermeister Wolfgang Griesert bat den Minister als erste Amtshandlung um sein Autogramm – Tonne durfte sich im Goldenen Buch der Stadt verewigen. Anschließend überreichte er ihm als Gastgeschenk eine Miniatur des Friedensreiters. Der Westfälische Frieden von 1648 habe den Weg gebahnt für das spätere europäische Zusammenwachsen, sagte er. In neuerer Zeit seien die Schulpartnerschaften genauso wie die Städtepartnerschaften wichtige Elemente, die den Anspruch Osnabrücks, eine Friedensstadt zu sein, mit Leben erfüllten.
Tonne griff den Gedanken des Friedenssaals als des Ortes auf, an dem die europäische Idee maßgeblich entwickelt worden sei, und bat die anwesenden Schülervertreter, nicht nachzulassen und den regen Austausch mit den Partnerschulen weiter zu pflegen. „Ihr lebt das geeinte Europa wie selbstverständlich und selbstbewusst. Dabei hinterlasst Ihr Spuren, Ihr helft, den Frieden zu sichern“, sagte er. Und er erinnerte daran, dass Frieden und Demokratie immer wieder neu erlernt und verteidigt werden müssten. Die junge Generation solle laut sein und den Europagedanken nach außen tragen. „Vielleicht wäre es nicht zum Brexit-Votum gekommen, hätten sich mehr junge Briten am Referendum beteiligt“, mutmaßte Tonne.
Die gewünschte Lautstärke herrschte dann draußen auf dem Markt. Die gesamte Schülerschaft des Ratsgymnasiums mit Ausnahme des zwölften Jahrgangs, der zur selben Zeit über den Abiturklausuren brütete, war erschienen, noch verstärkt durch gerade an der Schule weilende Austauschschüler aus England, Frankreich und Finnland. In vier Gruppen sangen sie im Wechsel die Europahymne „Ode an die Freude“ in verschiedenen Sprachen, wobei die Schülerkapelle des Ratsgymnasiums kräftig unterstützte. Wehleit und seine Schulleiter-Kollegen aus vier Nationen stimmten aus voller Kehle mit ein. Wehleit hatte zuvor die „lieben Freunde“ aus England, Frankreich, Finnland und Polen namentlich willkommen geheißen und den verantwortlichen Lehrern in den beteiligten Schulen gedankt, ohne die Austausche in dieser Kontinuität nicht denkbar wären. Als besonders weitsichtig und mutig bezeichnete er den Start mit High Wycombe vor 50 Jahren, als die Katastrophen des 20. Jahrhunderts noch viel präsenter waren als heute. „Ich weiß von keiner länger währenden deutsch-englischen Schulpartnerschaft in Niedersachsen als unserer“, stellte er fest und deklinierte seine Grußworte anschließend dem Anlass angemessen auch in Englisch und Französisch durch.
Die angesprochenen Gäste erwiderten überwiegend auf Deutsch. Direktor Jacek Kaczor aus Krakau sprach von einem „magischen Moment“, den er angesichts der geschichtlichen Bedeutung des Friedenssaales bei der Unterzeichnung empfunden habe. Die finnische Schuldirektorin Auli Pilkki dankte für die Chancen, die sich dank Europa ihrem Land im hohen Norden eröffnet hätten. Der französische Directeur François Roseray berichtete stolz von den fruchtbaren Kontakten nach Osnabrück, die bereits zu einer Eheschließung und einem deutsch-französischen Partnerschaftskind geführt hätten. Der englische Headmaster Philip Wayne schließlich brachte die Erwartung zum Ausdruck, dass seine Schüler auch nach einem Brexit sich weiterhin als gute Europäer fühlen würden. Er hoffe, dass eine kommende Generation britischer Politiker sich nicht so verhalten werde wie die derzeitige.
Text: Joachim Dierks aus der NOZ vom 03.04.2019, Video: Claus Adelski