Am Eingang begrüßen Venus und Ceres die Eintretenden, auf der Treppe weisen Vulcanus, Iuno und Minerva den Weg zur Aula, Mercur fliegt durch die Gänge. Wer am späten Freitagnachmittag das Ratsgymnasium betritt, fragt sich, ob er sich nicht in Osnabrück, sondern auf dem Olymp befindet. Und die Antwort lautet: Genau richtig gedacht, er ist es – jedenfalls fast! Tatsächlich halten sich hier leibhaftig die Götter der alten Römer auf, denn heute ist am Ratsgymnasium Halbgöttinnen- und Halbgöttercasting!
Pünktlich verspätet um kurz nach 17.00 Uhr fliegt der Götterbote Mercur (quasi die WhatsApp der Antike) auf der Bühne der Aula ein und fliegt angesichts seiner geschwinden Geschwindigkeit fast an Minerva vorbei, der wiederum gerade ihre Eule entflogen ist. Nach einer kurzen lateinisch-deutschen Diskussion darüber, ob die anwesenden Kinder wohl Latein können oder nicht, stellt Mercur seinen Auftrag vor, den er von Iupiter erhalten hat: Iupiter langweilt sich, weil auf dem Olymp so viele alte Götter herumhängen. Deswegen soll Mercur für neue Halbgöttinnen und Halbgötter sorgen, und deswegen haben sich einige Göttinnen und Götter zuletzt als Studenten getarnt, um in Osnabrück zu überprüfen, ob es hier genügend HalbgötterInnenmaterial zu erobern gibt!
Eingeteilt in drei Gruppen werden die ausgewählten 4.- und 6. Klässler nun in ihr jeweiliges Trainingscamp geführt. Wie einst der bärenstarke Hercules, der nach Erledigung schwerster Aufgaben die Aufnahme in den Olymp fand, müssen die Kinder nun 12 halbgottwertige Aufgaben erledigen, um es ihm gleichzutun. Jede erfüllte Aufgabe wird mit einem der begehrten Stempel auf der Stempelkarte honoriert. Zu den Aufgaben gehört es u. a., die jeweiligen Gruppenleitungsgöttinnen und ihre Aufgaben zu erkennen, die 12 Aufgaben des Hercules zu ordnen und einem ausgewählten Gott Farbigkeit zu verleihen. In Runde zwei werden die unverzichtbaren Lorbeerkränze angefertigt, die Kenntnis göttlicher Fähigkeiten in einem göttlichen Brettspiel überprüft und die Geschicklichkeit getestet, aus einem Wollknäuel-Labyrinth zu entkommen.
In der Pause präsentieren die DienerInnen der Ceres die Gaben des Feldes, frisch und liebevoll zubereitet zu Zyklopen-Sandwiches, dazu gibt es Nektar und Ambrosia – und natürlich die Hauptmahlzeit der Götter: Die Götterspeise! Diese auf göttliche Weise zu verspeisen, ohne sich (oder andere …) dabei zu bekleckern, gehört ebenfalls zu den 12 Aufgaben.
Nach dieser unverzichtbaren Stärkung, zu der einige potentielle HalbgötterInnen geradezu gezwungen werden müssen, da sie sich von den Brettspielen und anderen Aufgaben kaum lösen können, geht es dann in die entscheidende Phase: Im Rahmen des Chaos-Spiels („Am Anfang war das Chaos“ – so stellt sich der alte Grieche ja den Beginn der Welt vor, so ähnlich wie ein Kinder- oder Klassenzimmer …) warten nun die entscheidenden letzten Hercules-Aufgaben: Kein geringerer als der nemäische Stofftierlöwe muss gebändigt werden, von einzelnen liebevoll am Kartenständer aufgehängt, die Augiasställe müssen gereinigt werden (so sauber hat man nach Entsorgung der Müllbeutel durch die Kandidaten wohl selten einen Klassenraum gesehen!), die goldenen Äpfel der Hesperiden müssen dem Atlas (auch bekannt unter dem Namen Diercke) entrissen und sein Erdball, der früher einmal ein Fußball war, dreimal hochgehalten werden. Auf dem Weg dorthin wiederum gilt es u.a., Spaghetti mit dem Mund in Makkaroni zu stecken oder eine menschliche Halbgötterpyramide zu gestalten. Vereinzelt wird der Schulflur als Bobbahn genutzt, auf der mit Anlauf bäuchlings die Rutschfähigkeit getestet wird – dies gehört freilich nicht zu den 12 Aufgaben, sondern testet eher das Nervenkostüm der göttlichen Gruppenleitungen: Minerva, Vulcanus, Venus und Co. kämpfen immer wieder einmal mit dem unbändigen Temperament des einen oder anderen Kandidaten, der sich der Gefahr durch Iupiters Blitze nicht bewusst ist.
Während der HalbgötterInnen-Tests flattert auch immer wieder Mercur herein, um Bilder für Iupiter zu schießen, denn Iupiter wartet natürlich auf den Bericht. Und am Ende kann Mercur nach Rücksprache mit seinen göttlichen StudentInnen (oder studentischen GötterInnen) feststellen, dass fast alle AnwärterInnen auf einen Platz im Olymp sämtliche 12 Aufgaben mit größter Gründlichkeit bewältigt haben, nur eine klitzekleine Anzahl hat es nur auf 11 Stempel gebracht, da in diesem Fall eine ordnungsgemäße bzw. regelgerechte Handhabung der Aufgabenstellung misslang … Hier wird vielleicht noch einmal der Umweg über ein Training bei Poseidon oder Pluto empfohlen (manche Aufgaben lassen sich sicherlich in geringerer Lautstärke erledigen …)!
Bei der großen Abschluss-Versammlung in der Aula können dementsprechend nun allen Kindern die Urkunden übergeben werden, die ihnen ihre Aufnahme als Halbgöttin oder Halbgott in den Olymp bestätigen – die Göttergemeinschaft gratuliert allen Halbgöttinnen und Halbgöttern zu der tapferen Erledigung der zahlreichen Aufgaben und zu der Aufnahme in den Olymp!
Wir hoffen, dass es für alle Beteiligten ein möglichst spannender, lustiger, interessanter, göttlicher Abend gewesen ist!
Der Dank des Mercur geht dabei auch noch einmal an die beteiligten KollegInnen und vor allem an die großartigen, göttlichen StudentInnen, die mit ihrer unglaublich umfangreichen, gründlichen, kreativen und liebevollen Vorbereitung und Durchführung diesen Götterabend überhaupt erst ermöglicht haben! Iupiter wird nicht nur stolz darauf sein, sondern sich sicherlich auch an den neuen Halbgöttinnen und Halbgöttern erfreuen!
Text & Foto: Mark Rippel, 25.03.2019