Ge­heim­diens­te wich­ti­ger denn je

„Bi­blio­theks­ge­spräch“ mit Ver­fas­sungs­schüt­zer Wer­ner Spra­do

Im Rah­men der „Bi­blio­theks­ge­sprä­che“ hat­te die Ver­ei­ni­gung ehe­ma­li­ger Rats­gym­na­si­as­ten ihr Mit­glied Wer­ner Spra­do (Jahr­gang 1950, Ab­itur 1969) ein­ge­la­den. Er be­rich­te­te von sei­nem be­ruf­li­chen Wer­de­gang als Ver­fas­sungs­schüt­zer – und von den po­li­ti­schen Ein­fluss­nah­men, de­nen die Ge­heim­diens­te stets aus­ge­setzt wa­ren und sind.

 „Für die ei­nen war ich auf dem rech­ten Au­ge blind, für die an­de­ren auf dem lin­ken. Ich weiß gar nicht, wie ich im­mer ins Bü­ro ge­fun­den ha­be“. Mit die­ser Aus­sa­ge ver­deut­lich­te Spra­do, dass die Ge­heim­diens­te stets zur po­li­ti­schen Ma­nö­vrier­mas­se im po­li­ti­schen Pro­zess ge­hört ha­ben. Als stell­ver­tre­ten­der Prä­si­dent des sach­sen-an­hal­ti­ni­schen Lan­des­amts für Ver­fas­sungs­schutz be­kam er das in den 1990er-Jah­ren be­son­ders deut­lich zu spü­ren, als SPD-Mi­nis­ter­prä­si­dent Rein­hard Höpp­ner nur mit Dul­dung durch die PDS, die Vor­gän­ger­par­tei der Lin­ken, in Mag­de­burg re­gie­ren konn­te. Zu den Auf­ga­ben des Ver­fas­sungs­schut­zes ge­hör­te die Durch­leuch­tung der Bio­gra­fien von be­stimm­ten Funk­ti­ons­trä­gern im Hin­blick auf ih­re Ver­stri­ckun­gen im DDR-Un­rechts­sys­tem. „Da wur­de im­mer wie­der ver­sucht, uns aus­zu­brem­sen“, so Spra­do, „ei­ni­ge in der PDS woll­ten den Ver­fas­sungs­schutz ins­ge­samt zur Dis­po­si­ti­on stel­len.“

Ei­nen Teil der Vor­be­hal­te kann er heu­te nach­voll­zie­hen, denn der Fö­de­ra­lis­mus sei in der Struk­tu­rie­rung der Ge­heim­diens­te übers Ziel hin­aus­ge­schos­sen. Klei­ne­re Bun­des­län­der wie Sach­sen-An­halt mit 2,3 Mil­lio­nen Ein­woh­nern be­nö­tig­ten nicht un­be­dingt ei­ne ei­ge­ne Lan­des­be­hör­de. Die Zu­sam­men­le­gung des Ver­fas­sungs­schut­zes meh­re­rer klei­ner Bun­des­län­der wä­re sinn­voll. Letzt­lich ha­be auch der Fall Anis Am­ri ge­zeigt, dass zu vie­le Dienst­stel­len bei der Auf­klä­rung und Ver­fol­gung hin­der­lich sei­en.

In­ter­es­sant für die Schü­ler im Pu­bli­kum war auch, wie man über­haupt zum Ge­heim­dienst kommt. „Das war nicht mein er­klär­ter Be­rufs­wunsch“, er­zähl­te Spra­do. Er woll­te ei­gent­lich Gym­na­si­al­leh­rer für Ge­schich­te und Bio­lo­gie wer­den. Nach­dem er be­reits das Staats­examen in der Ta­sche hat­te, wur­den ihm ver­tie­fen­de Se­mi­na­re in der Fa­schis­mus­for­schung an­ge­bo­ten. Er schrieb sich ein. Spä­ter stell­te sich her­aus, dass das Bun­des­amt für Ver­fas­sungs­schutz ein Au­ge auf die Ab­sol­ven­ten ge­wor­fen hat­te und ei­ni­ge zu Ge­sprä­chen ein­lud. „Man bot mir ei­nen at­trak­ti­ven Auf­ga­ben­be­reich an und so sag­te ich zu.“ In der Fol­ge war Spra­do mit Rechts-, Links-, Aus­län­der­ex­tre­mis­mus und Ge­heim­schutz be­fasst, er mach­te in Köln, Bre­men und Mag­de­burg Kar­rie­re. Als Mit­glied im SPD-Orts­ver­ein Neu­stadt-Wüs­te und Mit­glied im Stadt­rat von 1976 bis 1991 ist er da­bei sei­ner Hei­mat­stadt stets ver­bun­den ge­blie­ben.

Zur ak­tu­el­len Si­cher­heits­la­ge mein­te Spra­do, dass die Be­dro­hun­gen heu­te grö­ßer sei­en als je zu­vor. „Wir wis­sen viel zu we­nig über die ‚Schlä­fer‘, die in kei­nem Ver­fas­sungs­schutz­be­richt auf­ge­zählt wer­den, weil sie sich völ­lig un­auf­fäl­lig ver­hal­ten und nie­mals et­wa in ei­ner Sa­la­fis­ten-Mo­schee auf­tau­chen wür­den.“ Die Zu­sam­men­ar­beit mit dem ame­ri­ka­ni­schen Ge­heim­dienst NSA, der über wei­ter­ge­hen­de In­stru­men­te et­wa der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­über­wa­chung ver­fü­ge als die In­lands­diens­te, wer­de zwar viel­fach kri­ti­siert, sei aber un­ter Si­cher­heits­ge­sichts­punk­ten sehr wert­voll und ha­be schon ei­ni­ge An­schlä­ge hier­zu­lan­de ver­hin­dert. Ein Ge­fah­ren­po­ten­zi­al lie­ge auch in der gro­ßen Zahl nur lü­cken­haft er­fass­ter Mi­gran­ten, die seit 2015 ins Land ge­kom­men sei­en. Lei­der wer­de ei­ne of­fe­ne Aus­ein­an­der­set­zung dar­über im­mer noch un­ter­drückt. Tei­le der Po­li­tik ver­such­ten, die Pro­ble­me „klein zu re­den und ge­sund zu be­ten“, so Spra­do. Da­von nahm er die meis­ten In­nen­mi­nis­ter der Län­der aus, „denn die ha­ben es ja mit der Rea­li­tät zu tun“. In Ge­heim­dienst­krei­sen wer­de ge­wit­zelt, das Kom­mu­nis­ti­sche Ma­ni­fest müss­te ei­gent­lich um­ge­schrie­ben wer­den und so lau­ten: „Ein Ge­spenst geht um in Eu­ro­pa – das Ge­spenst der Rea­li­tät“.

Der Mo­de­ra­tor des Abends, das Vor­stands­mit­glied der Rats­gym­na­si­ums-Ehe­ma­li­gen Vol­ker Lü­de­mann, re­sü­mier­te: „Es be­wegt sich halt je­der von uns in sei­ner per­sön­li­chen Wahr­neh­mungs-Fil­ter­bla­se.“

BU:

Ver­fas­sungs­schüt­zer Wer­ner Spra­do (Mit­te) sprach im Rats­gym­na­si­um auf Ein­la­dung von Vol­ker Lü­de­mann vom Vor­stand der Ehe­ma­li­gen-Ver­ei­ni­gung (links) und Schul­lei­ter Lo­thar Weh­leit.

23.10.2017,  Text & Fo­to Joa­chim Dierks

 

2560 1920 Ratsgymnasium Osnabrück
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