Aufenthaltsbericht von Josefine, 10.Klasse
Vom 1. Januar 2022 bis zum 2. April 2022 habe ich am Brigitte-Sauzay-Programm teilgenommen und hatte somit die Möglichkeit, für drei Monate in Frankreich zu leben. In dieser Zeit habe ich das Leben sowohl in einem französischen Internat als auch das Familienleben mit der Sprache, Kultur und dem Alltag dort kennengelernt.
In meinem Französischbuch im letzten Jahr habe ich das erste Mal von der Möglichkeit eines Austauschs erfahren. Auch während des Unterrichts haben wir über das deutsch-französische Jugendwerk und dessen Arbeit gesprochen. Eigentlich hatte ich nie darüber nachgedacht, einen mehrmonatigen Austausch zu machen, doch durch Corona hat der 10-tätige Schüleraustausch über unser Gymnasium nicht stattgefunden. Im zweiten Lockdown im Januar 2021 hatte ich eines Tages Langweile und habe mir überlegt, wie schön es doch eigentlich wäre, mal etwas Neues zu sehen, einmal rauszukommen aus dem Alltag in Deutschland, und ganz neue Leute kennenzulernen. Zusammen mit meinen Eltern habe ich über einen Austausch gesprochen und somit haben wir gemeinsam gesucht. Frankreich hat mich von vornherein am Meisten interessiert, da wir viele Sommerurlaube in verschiedenen Regionen Frankreichs verbracht haben. Somit habe ich direkt angefangen, Kleinanzeigen auf der Homepage des deutsch-französischen Jugendwerks zu beantworten.
Anfangs habe ich kaum Antworten bekommen, deshalb habe ich kurz darauf beschlossen, meine eigene Anzeige aufzugeben. Ich habe dadurch mit vielen Leuten geschrieben und schließlich auch ein Mädchen gefunden, mit dem ich den Austausch machen wollte. Zu dieser Zeit war Deutschland noch im Lockdown, die Lage in Frankreich unberechenbar, woraufhin ihr Schulleiter Austauschfahrten generell abgesagt hat. Ich war sehr enttäuscht. Einige Wochen später, kurz vor den Sommerferien, habe ich eine neue Kleinanzeige erstellt. Nach einiger Zeit habe ich dann das Mädchen kennengelernt, mit der ich mich am besten verstand, wir schrieben uns jeden Tag über Instagram. Ich hatte direkt das Gefühl, dass wir beide gut zusammenpassen.
In den Sommerferien waren meine Familie und ich in den Ferien in Frankreich, auf dem Weg haben wir meine Austauschpartnerin und ihre Familie in der Nähe der Stadt Vendôme besucht. Das Treffen war toll, somit hatten wir beide ein sehr gutes Gefühl. In den Monaten danach haben wir fast täglich geschrieben, sodass wir uns schon sehr gut kannten, als schließlich unser Austausch begann.
Es war Neujahr, als ich abends zusammen mit meiner Familie ankam. Die Tage davor waren wahnsinnig stressig, bis zum letzten Tag war nicht klar, ob Frankreich zum Hochrisikogebiet ernannt wird und somit stand auch meine Anreise in den Sternen. Der Abschied am nächsten Morgen war nicht leicht, und ich zweifelte daran, ob ich die drei Monate wirklich schaffe. Ich hatte mich monatelang gefreut, dass es endlich losgeht, trotzdem hatte ich auf einmal Angst vor der eigenen Courage.
Meine Austauschpartnerin wohnt zusammen mit ihrer Familie, den Eltern und ihren drei kleinen Brüdern (8,11 und 13 Jahre alt), auf einem Getreidebauernhof. Vom ersten Tag an wurde ich von allen aufgenommen wie ein echtes Familienmitglied. Die Familie war sehr offen, neugierig und lustig, ich verstand mich wirklich mit allen super. Dank dieser tollen Familie schaffte ich den Abschied, sie hatten sich zudem direkt etwas für den Nachmittag überlegt, sodass wir zusammen auf die Schlittschuhbahn gingen.
Meine Austauschpartnerin macht die Option „Abibac“ in der Stadt Tours, weshalb wir beide ins Internat gingen. Von Montag bis Freitag waren wir also in Tours, freitagabends fuhren wir mit dem Zug ca. 1 Stunde zu ihrer Familie. Anfangs war es eine wirkliche Umstellung. Ich war in einem Zimmer mit drei anderen Mädchen, der Platz pro Person war beschränkt, Privatsphäre gab es also nicht wirklich. Auch ist der Alltag in einem Internat streng durchgetaktet, sodass ich mich schnell anpassen musste. Das Leben im Internat ist nicht immer vorteilhaft, ganz im Gegenteil – es ist sogar manchmal echt anstrengend, aber trotzdem bin ich dankbar für diese Erfahrung. Mit den Mädchen auf dem Flur und in meinem Zimmer habe ich schnell Freundschaften geschlossen. Es war immer eine gute und lustige Atmosphäre.
Zu dem Leben im Internat kamen zusätzlich noch die sehr langen Schultage, die die ersten zwei Wochen wahnsinnig anstrengend gemacht haben. Ich hatte fast jeden Tag bis 16.40 Uhr oder 17.40 Uhr Unterricht, sodass der Alltag fast nur aus Schule bestand. Direkt ist mir außerdem aufgefallen, dass in Frankreich der Unterricht vom Lehrer geführt wird. Kaum jemand arbeitete mit, auch weil es keine mündlichen Noten gab. Ich hatte oft das Gefühl, dass der Lehrer mit sich selbst vor der Klasse spricht. Unterrichtsdiskussionen, Meinungsaustausch oder das Sammeln von Ideen gab es überhaupt nicht. Stattdessen schrieben wir Schüler und Schülerinnen seitenweise ab, ohne dass viel davon hängen blieb. Was ich mir vorher kaum vorstellen konnte: die deutsche Schule habe ich wirklich vermisst.
Dadurch, dass wir im Internat lebten, hatten wir einen engen Zeitplan. Zeit für Sport oder andere Freizeitaktionen gab es kaum. Manchmal, wenn wir früher Schulende hatten, bin ich mit meiner Austauschpartnerin in die Stadt in Tours gegangen. Am Wochenende haben wir viel Zeit mit der Familie verbracht oder ihre Freunde besucht. Mit der Familie habe ich auch sportliche Aktivitäten gemacht, beispielsweise waren wir eine Woche während der Ferien Skifahren in Alpe d’Huez, wir sind ab und zu Fahrrad gefahren oder joggen gegangen.
In den drei Monaten bin ich selbstständiger und unabhängiger von meiner Familie geworden und habe viel Neues erlebt und gesehen. Auch mein Französisch hat sich verbessert, sodass ich auch in Frankreich Klassenarbeiten und Tests mitgeschrieben habe und Referate vor der ganzen Klasse auf Französisch gehalten habe. Ich habe gelernt, flüssiger zu sprechen und fast alles zu verstehen, auch mein Wortschatz hat sich erweitert.
Zusammenfassend kann ich also festhalten, dass mein Austausch kaum besser hätte verlaufen können. Ich bin sehr dankbar für meine Gastfamilie, die mich so liebevoll aufgenommen hat, und für meine Austauschpartnerin, die zu einer meiner besten Freundinnen geworden ist. Auch in der Schule bin ich gut klargekommen, auch wenn das Schulsystem wirklich anders ist. Durch das Internat habe ich einen komplett neuen Alltag kennengelernt. In Frankreich habe ich viele Freunde gefunden, zu denen ich den Kontakt halten werde. Ich kann also festhalten, dass ich aus heutiger Sicht nichts anders machen würde, da mein Austausch so noch besser verlaufen ist, als ich mir es je hätte wünschen können.
In zwei Wochen kommt meine Austauschpartnerin zu mir nach Osnabrück. Meine Familie und ich freuen uns sehr auf sie. Wir wollen ihr den Alltag in Deutschland zeigen und vieles mit ihr unternehmen, damit sie eine genauso unvergessliche Zeit wie ich erleben kann.