„Können wir nicht noch ein wenig länger bleiben?“ Diese Frage wurde nach 5 intensiven Tagen der Begegnung mit unseren Gastgebern des LO Nowodworek Krakau häufiger gestellt. Dabei war weniger die aufgrund des vollen und reichhaltigen Programms etwas knapp bemessene Zeit zur Erkundung der zauberhaften Stadt Krakau Auslöser dieser Frage. Vielmehr gab es den Wunsch, noch mehr Zeit mit den polnischen Gastgebern zu verbringen und noch länger die hervorragende Stimmung, die den ganzen Austausch geprägt hat, zu genießen.
Als wären lang vermisste Freunde endlich wieder aufgetaucht, so wurden wir am Flughafen Krakau begrüßt. Schon der Besuch der polnischen Gruppe in Osnabrück im April war von Offenheit, gegenseitigem Interesse aneinander und viel Fröhlichkeit geprägt. Und diese tolle Stimmung wurde auch in Krakau sofort wieder wach.
Dabei standen die ersten 11/2 Besuchstage ganz im Zeichen der schwierigen jüngeren Geschichte. Uns wurde durch die Besuche der ehemaligen Metallwarenfabrik Oskar Schindlers und des KZ Auschwitz sowie die Vorführung eines Filmes über die ‚Gerechte unter den Völkern‘ Irina Sendler, die mehr als 5000 jüdische Kinder vor der Ermordung durch das NS-Regime rettete und dafür selber gefoltert wurde, deutlich, welch ungeheures Leid die polnische Bevölkerung während der Zeit der NS-Besatzung erleben musste. Wie schön war es darum, das Interesse der jungen Polinnen und Polen zu spüren, die Verbrechen der Vergangenheit nicht zu vergessen, aber zugleich unsere Schülerinnen und Schüler dafür nicht verantwortlich zu machen und mit ihnen gemeinsam Positives zu erleben und Freundschaften aufzubauen.
Während wir anschließend am Dienstagnachmittag noch ohne die polnische Gruppe das beeindruckende und zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörende Salzbergwerk Wieliczka besichtigten, konnten wir dann ab Mittwoch bei unserem Ausflug nach Zakopane viel gemeinsame Zeit mit unseren Gastgebern verbringen. Dass die Landschaft der hohen Tatra so schön ist, hatten wir nicht erwartet. Die Panoramen, die sich uns auf einer gut 4-stündigen Wanderung boten, waren von teilweise überwältigender Schönheit. Und alle genossen besonders die lange Rast auf einer Hochebene, auf der es einen spektakulärer Ausblick auf die höchsten Erhebungen der hohen Tatra gab, die Sonne mit uns um die Wette strahlte und wir leckersten Käse vom Grill genießen konnten.
Die Zimmereinteilung in der netten, sehr familiären und an einem reizvollen Hügel gelegenen Pension in Zakopane verlief anschließend reibungslos, und die polnischen und deutschen Lehrerinnen und Lehrer stellten zu ihrer großen Freude fest, dass sich von selbst ausnahmslos Zimmerbelegungen gemischter Nationalität gebildet hatten. Der am abendlichen Lagerfeuer ausgetragene friedliche Sangeswettstreit zwischen Polen und Deutschen war dann auch von viel Harmonie bestimmt (gesanglich nicht immer, der Wille war aber erkennbar), endete mit gemeinsam gesungenen Liedern, und die zwischenzeitlich gemeinsam eingeübten Tänze unter einem unglaublich klaren Sternenhimmel haben wir alle sehr genossen. So schön war dieser Abend, dass einige Deutsche und Polen zu später Stunde noch einen Hügel bestiegen, um den Sternenhimmel in Ruhe zu genießen …
Eine Wanderung hinunter in den Ortskern von Zakopane und die freie Zeit dort standen am Donnerstag auf dem Programm, ehe wir auf der Rückfahrt Zwischenstation bei Familie Zoll machten, die uns auf ihrem Anwesen zu einem Lagerfeuer samt Verköstigung eingeladen hatte. Die zwei Stunden dort gingen viel zu schnell rum. Nicht nur, weil zu wenig Zeit war, sich ausführlicher mit Stefania, dem immer wieder plötzlich mitten unter uns auftauchenden und freilaufenden Pferd der Familie zu beschäftigen. Auch das gemeinsame und nach Gehöreindrücken äußerst fröhliche Volleyballspiel hätte ohne den Zeitdruck des wartenden Busses sicher noch lange angedauert. Vielen Dank an dieser Stelle noch einmal, liebe Familie Zoll, für die liebenswürdige Einladung.
Am Freitag schließlich wurden wir von unserer polnischen Kollegin Anna-Maria Kozyol, die das intensive Programm mit viel Engagement und Überlegung geplant hat und die zugleich geprüfte Stadtführerin in Krakau ist, bei herrlichstem Sommerwetter sehr sachkundig durch den Wavel und Teile der beeindruckend schönen Altstadt Krakaus geführt. Die anschließende Stadtrallye wurde von den gemischten Gruppen bravourös und mit viel Teamgeist absolviert, ehe es nachmittags Zeit für gemeinsame Erkundungen in der Stadt gab.
Nach so vielen intensiven und bereichernden Begegnungen verwundert es nicht, dass wir einen sehr emotionalen Abschied hatten. Die vielen herzlichen Umarmungen, die warmen Worte und zahllose Tränen passten einfach zu einer äußerst gelungenen Begegnung. Und wie schön war es für uns begleitende Lehrer, schon am Flughafen feste Verabredungen der Austauschpartner für ein gemeinsames Silvesterfest mitzubekommen, um sich so noch näher kennenzulernen und mehr gemeinsame Zeit miteinander zu verbringen.
Es bleibt zu wünschen, dass diesen so gelungenen ersten Begegnungen mit dem LO Nowodworek Krakau noch viele weitere folgen werden. Noch ist aufgrund organisatorischer Schwierigkeiten nicht ganz sicher, ob der Austausch 2017 stattfinden wird, aber die Chancen stehen inzwischen sehr gut. Und, liebe Zehntklässler, fragt die Teilnehmer dieses Jahres mal nach ihren Erfahrungen; vielleicht können sie Euch ja anstecken mit ihrer Begeisterung, so dass Ihr auch Lust bekommt auf diesen Austausch und Euch für 2017 anmeldet.
Text und Foto: Holger Niehoff