Schnell erobert die Schülergruppe aus Melle die Bühne, um sich darüber klar zu werden, wie der bevorstehende Auftritt umgesetzt werden soll. Gekonnt bilden die Fünft- und Sechstklässler aus Bad Laer eine Menschenkette, um die mitgebrachten Kartons an Ort und Stelle zu bringen. Die Schülerinnen vom Artland-Gymnasium Quakenbrück werden vom DS-Kurs „Darstellendes Spiel“ des Ratsgymnasiums durch das Schulgebäude gelotst, damit sich alle am bevorstehenden Tag zurechtfinden. Theater-Lehrkräfte, die sich schon aus anderen theatralen Zusammenhängen kennen, begrüßen sich herzlich und tauschen schnell Neuigkeiten aus. Auch die Gruppe des Greselius-Gymnasiums Bramsche kommt an und kümmert sich gemeinsam mit der „Technik-AG“ des Ratsgymnasiums um die bevorstehende Herausforderung, Projektion und Ton in den Griff zu bekommen. Ein Anruf – der Zug mit der Gruppe der IGS Fürstenau hat Verspätung: Kein Problem – auch für die verspätete Ankunft wird eine Lösung gefunden.
Nach der wuseligen Ankunft der rund 100 Gäste konnte es am Mittwoch, den 5. Februar 2020, losgehen: eines von zehn Regionalen Schülertheatertreffen.
Der Fachverband Schultheater – Darstellendes Spiel Niedersachsen e. V. veranstaltet alle zwei Jahre das Niedersächsische Schülertheatertreffen (NiST). Dieser landesweit ausgeschriebene Wettbewerb wird vom Kultusministerium gefördert und richtet sich an alle niedersächsischen Theatergruppen, in denen Kinder und Jugendliche mitwirken. Bis Mitte März werden sich insgesamt 40 Gruppen beispielweise in Göttingen, in Emden oder in Wolfsburg treffen.
Nach der Begrüßung durch den Schulleiter Herrn Bröcker präsentierte der Kurs „Darstellendes Spiel“ des 12. Jahrgangs vom Ratsgymnasium die Szene „Darf man das?“, die sich mit der Auslotung der Grenzen des Sagbaren auseinandersetzt. Was ist erlaubt? Was fällt unter die Meinungsfreiheit? Schnell wurde das Publikum durch die chorische Darstellung in den Bann gezogen.
Es folgte ein gemeinsames Warm-up. Alle theatergeübten Schüler*innen sowie ihre begleitenden Lehrer*innen ließen sich auf die Übungen ein, die der DS-Kurs der gastgebenden Schule vorbereitet hatte, und bauten beispielsweise kleine Menschenskulpturen; es wurde gelacht, man kam sich näher, die Gruppen mischten sich schnell.
Dann begannen die Präsentationen der Gäste. Den Auftakt gestaltete die Gruppe „Goldgräber“, die Theater-AG der Oberschule Bad- Laer, mit der Collage „Alles Pipifax“. Die Spielfreude war den Kindern anzumerken, als sie die gut durchchoreographierten Szenen zum Thema „Kinderrechte“ rund um die Figur Pippi Langstrumpf zeigten.
Nach einer kurzen Umbauphase präsentierte der „Wahlpflichtkurs Darstellendes Spiel“ des 10. Jahrgangs der IGS Fürstenau Auszüge aus ihrem Theaterstück „Muck Nase“ nach Wilhelm Hauff, das für jüngere Zuschauer*innen konzipiert wurde. Die Geschichte von wilden Katzen und Hunde, die von Muck Nase zu hüten sind, und von der märchenhafte Wendung, die Muck aus den Händen der schrillen Hexe befreit, wurde in dem lustigen Impro-Stück erzählt.
Rätselhaft begann der Probeneinblick der „Theater-AG“ des Artland-Gymnasiums Quakenbrück. Doch schnell wurde klar, dass hier die Abläufe des Gehirns auf die Bühne gebracht wurden. Die 15- bis 18-jährigen Jugendlichen befassten sich mit dem „brainstorm“, den aufwühlenden und widersprüchlichen Gedanken in der Nacht und mit Depressionen. Der Probeneinblick machte Lust auf mehr!
Weiter ging es für die Teilnehmer*innen des Treffens mit Gesprächsrunden. Jede Gruppe bereitete ein Feedback vor und so kamen die Kinder und Jugendlichen untereinander und auch die Spielleiter*innen in einen regen und konstruktiv kritischen Austausch.
Die zweite Runde der Präsentationen wurde eröffnet von den „Theatralen“, der Theater-AG des Greselius-Gymnasiums aus Bramsche. Sie zeigten Auszüge aus dem Schauspiel „Die Welle“. Gelungen wurden einzelne Figuren charakterisiert und aus der zunächst heterogenen Klasse entwickelte sich durch das gefährliche Experiment eine immer gleichförmiger werdende Gemeinschaft, die vor Diskriminierung anderer nicht mehr zurückschreckt. Ein Stück von erschreckender Aktualität.
Zum Abschluss wurden die Zuschauer*innen ins 18. Jahrhundert geleitet. Die Theater-AG „MigsT“ von der IGS Melle zeigte eine Inszenierung des Dramas „Emilia Galotti“ von Lessing, die ganz eigenen Spielregeln folgte: Zum Teil bewusst extrem schnell und unbetont vorgetragene Textpassagen, zum Teil verlangsamte und sicher wiederholende Sprechakte prägten die Inszenierung, die durch die präzisen und reduzierten Bewegungsabläufe überzeugte.
Das Regionaltreffen wurde dem Ziel, die Vielfalt von Schultheater erlebbar zu machen, auf jeden Fall gerecht. So hatten die Teilnehmer*innen in der nun folgenden zweiten Feedback-Runde genug Gesprächsstoff. Gedankenaustausch, Fragen und neue Impulse nahmen die Gruppen in jedem Fall mit. Auch das Gefühl, den Auftritt vor nicht heimischem Publikum unter manchmal improvisierten Bedingungen geschafft zu haben, stärkte ungemein.
Die Veranstaltung wurde begleitet von einem Beratungsgremium, Theaterlehrer*innen aus Niedersachsen. Wenn im März alle zehn Regionaltreffen stattgefunden haben werden, wird von diesen Lehrer*innen ein Programm von etwa zehn Produktionen für das Abschlusstreffen, das im Juli 2020 in Hannover stattfinden wird, zusammengestellt. Noch ist also offen, ob eine Gruppe aus dem Landkreis Osnabrück zum einwöchigen Landesfestival eingeladen wird…
Text & Fotos: Stefanie Westphal, 09.02.2020