Un­se­re An­fän­ge

Vom al­ten Rats­gym­na­si­um zu Os­na­brück, ge­gr. 1595
(gem. den Schul­chro­ni­ken von 1950, 1970 und 1995, Herr Ves­per u.a.)

Auch das Jahr 1943 ist ein Ju­bi­lä­ums­jahr für un­se­re Schu­le: vor 400 Jah­ren 1543, be­rief der Rat der Stadt den Su­per­in­ten­den­ten zu Lü­beck, Her­mann Bon­nus, nach Os­na­brück, hier die Re­for­ma­ti­on ein­zu­füh­ren. Her­mann van Bun­ne war sein ei­gent­li­cher Na­me, den er nach der ge­lehr­ten Sit­te der Zeit la­ti­ni­siert hat­te. In Qua­ken­brück 1504 ge­bo­ren, hat­te er die be­rühm­te Schu­le zu Müns­ter be­sucht und in Wit­ten­berg stu­diert, wo er Me­lan­chthons Freund wur­de. Da er aus dem Os­na­brü­cker Stift kam, sah man ihn in Os­na­brück als Pre­di­ger um so lie­ber. Am Licht­meß­ta­ge, am 2. Fe­bru­ar 1543, den man noch spä­ter lan­ge als den Tag des Os­na­brü­cker Re­for­ma­ti­ons­fes­tes ge­fei­ert hat, hielt er un­ter gro­ßem An­dran­ge der Bür­ger­schaft in der Ma­ri­en­kir­che die ers­te evan­ge­li­sche Pre­digt.

Lu­thers Auf­for­de­rung an die Bür­ger­meis­ter und Rats­her­ren al­ler Städ­te Deutsch­lands, „dass sie christ­li­che Schu­len auf­rich­ten soll­ten“, be­fol­gend, for­der­te er in sei­ner Schul­ord­nung, die in sei­ner „Kir­chen­ord­nung“ ent­hal­ten war, nach dem Vor­bil­de Me­lan­chthons auch für un­se­re Stadt: „Im Bar­vö­ter Clos­ter schal ei­ne ge­mei­ne Scho­le ge­hol­den wer­den, dar­in­ne de jun­ge Jo­gend düs­ser Stadt, und dar von bu­ten in­kumpt, mag ge­leert und up­ge­ta­gen wer­den in Ga­des Furch­ten und gu­ten Küns­ten“. Das Bar­fü­ßer­klos­ter war näm­lich frei ge­wor­den. Der Bi­schof hat­te es, wie auch das Au­gus­ti­ner­klos­ter, den Bür­gern über­las­sen, wäh­rend die Mön­che un­ter Zu­si­che­rung ei­ner le­bens­läng­li­chen Ren­te die Stadt ver­las­sen hat­ten. Hier, ne­ben der Ka­tha­ri­nen­kir­che, er­öff­ne­te man die neue evan­ge­li­sche Schu­le. An­de­re Schu­len in der Stadt wa­ren da­mals das Ka­ro­li­num, die Stifts­schu­le zu St. Jo­hann, die ein­zel­nen Kirch­spiel­schu­len da­zu ei­ne Men­ge pri­va­ter „Win­kel“- oder „Klipp­schu­len“. Man un­ter­rich­te­te in der „Rats­schu­le“ haupt­säch­lich Re­li­gi­on, Kir­chen­ge­sang und La­tein. Sie hat­ten drei Klas­sen und blüh­te un­ter tüch­ti­gen Leh­rern bald auf. Die Bür­ger fass­ten Zu­trau­en zu der neu­en Grün­dung, und so wuchs die Zahl der Schü­ler. Die­se Schu­le im Bar­fü­ßer­klos­ter be­stand bis 1548. Als nach der Schlacht bei Mühl­berg der Kai­ser und die Ge­gen­re­for­ma­ti­on wie­der freie Hand be­ka­men, war es bald mit den re­for­ma­to­ri­schen Grün­dun­gen vor­bei: auch die Rats­schu­le wur­de ge­schlos­sen. Zwar wur­den nach dem Augs­bur­ger Re­li­gi­ons­frie­den von 1555 die Ver­hält­nis­se für die Evan­ge­li­schen wie­der güns­ti­ger, aber die Schu­le im Bar­fü­ßer­klos­ter konn­te der Rats nicht wie­der er­öff­nen, vor al­lem, da es ihm an Mit­teln fehl­te. So schick­ten die El­tern ih­re Kin­der wie­der auf die Dom­schu­le, wo man jetzt, auch in der Wahl evan­ge­li­scher Leh­rer, auf sie Rück­sicht nahm. Als nun aber die Je­sui­ten in der Nach­bar­schaft im Zu­ge der Ge­gen­re­for­ma­ti­on ei­ne re­ge Tä­tig­keit ent­fal­te­ten (seit 1557 hat­ten sie das Gym­na­si­um in Köln in­ne, 1564 pre­dig­te der be­red­te Je­su­it Ca­ni­sius un­ter gro­ßem An­drang des Vol­kes im Os­na­brü­cker Dom, 1588 über­nah­men die Je­sui­ten die Schu­le in Müns­ter), be­gann der Rat auch für die evan­ge­li­schen Kin­der in der Dom­schu­le zu fürch­ten. Be­reits 1570 fass­te er den Plan, wie­der ein evan­ge­li­sches Gym­na­si­um zu er­öff­nen und er­wei­ter­te 1583 die Kirch­spiel­schu­le zu St. Ma­ri­en, da­mit sie für den Fall ei­ner Neu­grün­dung die Schu­le auf­neh­men kön­ne.

Da kün­dig­te Os­tern 1595 das Dom­ka­pi­tel dem Kon­rek­tor Kirch­hof und drei an­de­ren evan­ge­li­schen Leh­rern den Dienst und be­rief ei­nen streng ka­tho­li­schen Rek­tor aus Müns­ter nebst drei ka­tho­li­schen Leh­rern. Lu­thers Ka­te­chis­mus wur­de ab­ge­schafft, der Ka­te­chis­mus des Je­sui­ten Ca­ni­sius ein­ge­führt. Als den evan­ge­li­schen El­tern zu Oh­ren kam, die Leh­rer an der Dom­schu­le hät­ten ge­sagt, nur die Kin­der könn­ten in den Him­mel kom­men, die in den Dom oder nach St. Jo­hann in den Got­tes­dienst gin­gen, als man den Kin­dern Schwie­rig­kei­ten bei dem Be­such des Ka­te­chis­mus­un­ter­richts in St. Ma­ri­en oder in St. Ka­tha­ri­nen mach­te, wuchs die Er­re­gung in der Stadt. Da über­trug nach ver­geb­li­chen Ver­hand­lun­gen um ei­ne Ei­ni­gung der Rat dem ent­las­se­nen Kon­rek­tor Kirch­of am St. Gal­lus­ta­ge, am 16. Ok­to­ber 1595, die Lei­tung der neu­en „Rats­schu­le“, die in der Kirch­spiel­schu­le zu St. Ma­ri­en er­öff­ne­te. Das be­deu­te­te die Grün­dung des Gym­na­si­ums der Stadt Os­na­brück, des „Rats­gym­na­si­ums“.

Als ein „Kind der Re­for­ma­ti­on“, ge­bo­ren aus den tie­fen re­li­giö­sen und na­tio­na­len Kämp­fen, die da­mals un­ser deut­sches Volk er­schüt­ter­ten, ist al­so 1595 das Rats­gym­na­si­um ins Le­ben ge­tre­ten. Die nächs­ten Jah­re wa­ren noch er­füllt von Kämp­fen mit dem Dom­ka­pi­tel, das die neue Schu­le nicht gel­ten las­sen woll­te und sich auf al­te, recht­lich ziem­lich an­fecht­ba­re Pri­vi­le­gi­en be­rief. Der Streit (der so­ge­nann­te „Schul­pro­zeß“) zog sich lan­ge Zeit hin, Rechts­gut­ach­ten von Uni­ver­si­tä­ten und sons­ti­gen Stel­len wur­den ein­ge­holt, 78 Zeu­gen ver­hört. 1603 wand­te man sich so­gar an den Kai­ser selbst. Rechts­kun­di­ge Män­ner ent­schie­den da­hin, daß der Rat im Be­sitz der ge­stif­te­ten Schu­le blei­ben sol­le. Der Reichs­hof­rat, den man an­ge­ru­fen hat­te, hat nie ei­ne Ent­schei­dung ge­fällt. Erst der Be­ginn des Drei­ßig­jäh­ren Krie­ges mach­te die­sen Streit ein En­de: der „Schul­pro­zeß“ hat­te aber die Stadt 2002 Ta­ler, 16 Schil­ling, 9 Pfen­nig ge­kos­tet, ei­ne für da­ma­li­ge Geld­ver­hält­nis­se recht be­trächt­li­che Sum­me.

Wäh­rend des gro­ßen Krie­ges wur­de dann mit der Be­set­zung der Stadt durch die Ka­tho­li­ken 1628 auch die evan­ge­li­sche Schu­le zeit­wei­lig ge­schlos­sen. Als Ge­org von Braun­schweig den Pro­tes­tan­tis­mus wie­der­her­stel­le, wur­de sie 1634 wie­der er­öff­net. Im West­fä­li­schen Frie­den er­hielt das Rats­gym­na­si­um dann end­gül­tig sei­ne Be­stä­ti­gung.

 

 

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