2000 Jah­re Va­rus­schlacht: Ge­schich­te – My­thos – Re­zep­ti­on

Wo fand die Va­rus­schlacht statt? War sie ein ein­schnei­den­des Er­eig­nis? Und ist Ar­mi­ni­us bzw. Her­mann ein Held? Die­sen Fra­gen ging Prof. Dr. Kreši­mir Ma­ti­je­vić, ehe­ma­li­ger Rats­schü­ler (Ab­itur 1994) und mitt­ler­wei­le Pro­fes­sor für Al­te Ge­schich­te an der Eu­ro­pa-Uni­ve­ristät Flens­burg, in ei­nem Vor­trag für die Schüler:innen der Jahr­gän­ge 12 und 13 nach.

Nach ei­ner kur­zen Vor­stel­lung der Quel­len, die den Ort nicht ge­nau be­nen­nen, und der In­di­zi­en, die für Kalk­rie­se als ei­nen Ort in den Aus­ein­an­der­set­zun­gen der Ger­ma­nen mit den Rö­mern un­ter Va­rus spre­chen, zeig­te Prof. Ma­ti­je­vić auf, dass die Schlacht aus wis­sen­schaft­li­cher Sicht kei­nen tie­fen Ein­schnitt in der au­gus­te­ischen Ger­ma­ni­en­po­li­tik hin­ter­ließ. Aber es war ein My­thos ge­bo­ren: Ar­mi­ni­us, der li­bera­tor haud du­bie Ger­ma­niae – Ar­mi­ni­us, zwei­fels­oh­ne der Be­frei­er Ger­ma­ni­ens (Ta­ci­tus).

In ei­nem schnel­len und un­ter­halt­sa­men Lauf durch die Jahr­hun­der­te zeig­te Prof. Ma­ti­je­vić, wie aus dem rö­mi­schen Of­fi­zier und De­ser­teur Ar­mi­ni­us der deut­sche Her­mann wur­de (zu­erst nach­weis­bar in Lu­thers Tisch­re­den) und wie ihn die ver­schie­de­nen Zei­ten be­trach­te­ten. So wur­de er in der Mit­te des 17. Jhd. zum ro­man­ti­schen Her­zens­stür­mer, der von Thus­nel­da lie­be­voll an­ge­schaut wird. Ins­be­son­de­re in den Na­po­leo­ni­schen Be­frei­ungs­krie­gen wur­de Ar­mi­ni­us dann aber auf­grund des auf­kei­men­den Na­tio­nal­ge­fühls voll­ends zum deut­schen Her­mann und der Ur­sprung der Deut­schen in die An­ti­ke zu­rück­ver­legt. Aus­druck da­von ist auch das Her­manns­denk­mal in Det­mold. In­ter­es­san­ter­wei­se spiel­te Her­mann im Na­tio­nal­so­zia­lis­mus je­doch kei­ne ge­wich­ti­ge Rol­le, da Hit­ler nicht den Ver­bün­de­ten Ita­li­en brüs­kie­ren woll­te. Nach 1945 hat­te die Fi­gur des na­tio­na­len Frei­heits­kämp­fers Her­mann, die am En­de des 19. Jhd. auch zur Ab­gren­zung zu Frank­reich ge­nutzt wur­de, aus­ge­dient, denn jetzt wur­de die deutsch-fran­zö­si­sche Freund­schaft ge­schlos­sen und ge­pflegt. (Das Her­manns­denk­mal dien­te nun zu­nächst nur noch ame­ri­ka­ni­schen Sol­da­ten als Ziel­schei­be bei ih­ren Schieß­übun­gen.)

Und heu­te? Auf die Nach­fra­ge, ob Arminius/Hermann ein Held sei und ob wir ihn heu­te noch bräuch­ten, sag­te Prof. Ma­ti­je­vić, dass Her­mann – auch wenn un­se­re Zeit si­cher ein Be­dürf­nis nach Su­per­hel­den ha­be – nicht als Held für uns gel­ten kann und wir ihn nicht mehr be­nö­tig­ten, da für die meis­ten Men­schen nun nicht mehr na­tio­na­le, son­dern eu­ro­päi­sche Ge­dan­ken im Vor­der­grund stün­den. Der Vor­trag zeig­te al­len Zu­hö­rern deut­lich, wie ein his­to­ri­sches Er­eig­nis und ei­ne Per­son von un­ter­schied­li­chen Zei­ten und Ge­sell­schaf­ten in­ter­pre­tiert und ge­nutzt wur­de und dass kri­ti­sches Hin­ter­fra­gen bei der Re­zep­ti­on von Ge­schich­te not­wen­dig ist.

Wir be­dan­ken uns für die­sen kurz­wei­li­gen und in­ter­es­san­ten Vor­trag ei­nes ehe­ma­li­gen Schü­lers, von dem un­se­re heu­ti­gen Schüler:innen sich pro­fi­tie­ren wer­den.

Text und Fo­to: Dr. Den­nis Weh

2560 1920 Ratsgymnasium Osnabrück
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